Kreditabsicherung durch Bürgschaft: Der kurze Weg vom Bürgen zum Bettler

Gegenseitige Bürgschaften unter Ehegatten, Gefälligkeitsbürgschaften für Verwandte oder Freunde: Höchste Vorsicht ist angesagt, wenn Sie für die Schulden anderer Personen einstehen sollen. Die Folgen der Unterschrift auf einer Bürgschaftserklärung werden aber häufig erst dann erkannt, wenn der so genannte „Hauptschuldner“ zahlungsunfähig geworden ist. Die dann auf den Bürgen zukommenden Forderungen übersteigen oftmals seine finanziellen Möglichkeiten. Dabei sagt das Bürgerliche Gesetzbuch sehr deutlich, dass sich der Bürge durch den Bürgschaftsvertrag verpflichtet, für die Schulden einer anderen Person einzustehen. Umso verständlicher ist es daher, dass immer wieder „Gefälligkeitsbürgschaften“ akzeptiert werden, die unter Freunden oder Verwandten beispielsweise zur Absicherung von Bankkrediten, Ratenkäufen oder Mietverhältnissen dienen.

Kommt es dann aber tatsächlich zu Liquiditätsproblemen beim Schuldner, ist es mit der Freundschaft sehr schnell vorbei, wenn der Bürge zur Zahlung herangezogen wird. Von derartigen Gefälligkeiten ist also uneingeschränkt abzuraten; bevor über eine Bürgschaftserklärung als Sicherheit auch nur nachgedacht wird, sollte nahezu jede andere Absicherungsmöglichkeit genutzt werden. Daran ändert auch der erkennbare Wandel in der Rechtsprechung nichts, denn das Bundesverfassungsgericht hat bereits im Jahre 1993 festgestellt, dass die grundsätzliche Vertragsfreiheit nicht jede Bürgschaft rechtfertigen kann. So können, vorbehaltlich einer jeweiligen Einzelprüfung, Bürgschaften beispielsweise dann unwirksam sein, wenn der Bürge geschäftlich unerfahren war und eine entsprechende Aufklärung durch ein Kreditinstitut nicht erfolgt ist, oder wenn ein grobes Missverhältnis zwischen der Bürgschaftshöhe und den finanziellen Verhältnissen des Bürgen besteht.

Darüber hinaus hat der Bundesgerichtshof festgestellt, dass ohne besondere Vereinbarung eine Bürgschaft nur für einen Kredit gilt. Eine Ausdehnung auf mehrere Kredite eines Bankkunden ist also grundsätzlich nicht mehr möglich (Az. IX ZR 69/95).

Diese Zurückhaltung ist im Übrigen auch bei Ehegatten-Bürgschaften angebracht. Nach wie vor verlangen zwar viele Bankinstitute zur Absicherung von Privat- und Geschäftskrediten generell die Unterschrift der Ehefrau. Meist besteht allerdings hier ein Verhandlungsspielraum, der durch hartnäckiges Argumentieren vom Kreditnehmer genutzt werden sollte. Wohlgemerkt: Es geht dabei weder um Vertrauen noch um Misstrauen, aber wenn ein Ehepartner nicht am Geschäft des anderen beteiligt ist, gibt es auch keinen Grund, diesen mit größter Selbstverständlichkeit zu seinem Bürgen zu machen.

Für den Fall, dass sich eine Bürgschaft nun einmal nicht umgehen lässt, sollte sich der Bürge auf die Begrenzung auf einen bestimmten Betrag festlegen (sog. Höchstbetragsbürgschaft). Eine Bürgschaft in unbegrenzter Höhe ist indes stets abzulehnen, denn selbst bei einer Höchstbetragsbürgschaft fallen neben Zinsen noch weitere Kosten an, die der Bürge letztlich zu übernehmen hat. Gleichzeitig sollten alle Eventualverpflichtungen zeitlich befristet werden. Vereinbaren Sie mit Ihrer Bank zum Beispiel: Bürgschaft für Kredit in Höhe von 10.000 Euro bis zum 31.12.2012. Nach diesem Datum kann jeder Bürge dann immer noch frei entscheiden, ob er seine Bürgschaft verlängern oder aufkündigen soll.

Fragen Sie als Bürge bei der betreffenden Bank immer wieder mal nach: Denn vielfach werden die Sicherheiten gar nicht mehr benötigt, weil sich bei dem Schuldner die finanziellen Verhältnisse verbessert haben!

Verlangt die Bank – wie heute fast üblich – vom Bürgen eine selbstschuldnerische Bürgschaft, kann es nur heißen: Finger weg! Kommt hier nämlich der Hauptschuldner in Zahlungsschwierigkeiten, hat die Bank das Recht, ohne vorherige Anhörung des Schuldners den Bürgen zur Kasse zu bitten. Die Bank muss also hier keine Zwangsmaßnahmen gegen den Schuldner einleiten, wohl aber gegen den Bürgen, wenn dieser nicht zu einer Zahlung bereit ist. Deshalb sollten Bürgen auf eine so genannte Ausfallbürgschaft bestehen. In diesem Fall wird der Bürge erst dann in Anspruch genommen, wenn sämtliche Sanktionen gegen den Hauptschuldner erfolglos geblieben sind.

Keine Frage der Ehre, sondern die der Leistungsfähigkeit

Eine Bürgschaft ist im Kreditgeschäft der Banken eine der beliebtesten Sicherungsformen. Doch was die meisten Bürgen nicht überlegen: Die Bürgschaft ist ein gefährliches Mittel zum Zweck. Dem Bürgen wird in der Regel gar nicht klar, welches Risiko er eingeht, obwohl er nicht etwa nur mit einem Teil seines Vermögens, sondern mit seinem Gesamtbesitz haftet. Bei der Grundschuldbestellung zu Gunsten eines Dritten wird die Ernsthaftigkeit des Handelns durch den Gang zum Notar und der Unterzeichnung der verschiedensten Bankurkunden dokumentiert. Bei der Bürgschaft hingegen genügt eine einfache Unterschrift bei der Bank. Allerdings hat auch eine Bürgschaft seine Grenzen, denn die formularmäßige Ausdehnung einer Bürgschaft auf alle bestehenden und künftigen Verbindlichkeiten ist grundsätzlich unwirksam (BGH, Az. IX ZR 69/95).

Hat eine Bank die finanzielle Abhängigkeit eines Bürgen erkannt oder hätte sie diese erkennen müssen – dann ist die Bürgschaft in der Regel sittenwidrig (BGH, Az. IX ZR 333/95).

Bürgen, insbesondere Familienangehörige, die einen ihre Verhältnisse übersteigenden Betrag verbürgt haben, können aus diesem Urteil Nutzen ziehen und die gesamte Bürgschaftsforderung der Bank aushebeln. Aber auch Bürgschaftsverträge, die einen Bürgen krass überfordern, sind nichtig. Globale Bürgschaftsverträge mit Ehepartnern ohne eigenes Einkommen sind selbst dann nichtig, wenn der krass überforderte Bürge eine künftige Erbschaft erwartet (BGH, Az. IX ZR 257/97). Ein Bürge ist auch nur dann als leistungsfähig anzusehen, wenn er innerhalb von fünf Jahren mindestens 25 Prozent des Bürgschaftsbetrages zurückzahlen kann (BGH, Az. IX ZR 177/95). Dabei spielt natürlich das Einkommen eines Bürgen als Sicherheit nur dann eine Rolle, wenn es auch entsprechend die Pfändungsgrenze in nennenswertem Umfang übersteigt.

Nennenswert bedeutet dabei: Es ist danach zu bewerten, was der Bürge mit seinem pfändungsfreien Einkommen innerhalb von fünf Jahren zurückzahlen kann. Dieser Betrag ist dann in Relation zur Bürgschaftssumme zu sehen. Ist also ein Bürge innerhalb der Fünfjahresfrist nicht in der Lage, ab Fälligkeit ein Viertel der verbürgten Forderung (Hauptsumme ohne Zinsen) aufzubringen, dann muss der Bürge als nicht leistungsfähig angesehen werden. Die Konsequenz: Ist der Hauptschuldner selbst nicht in der Lage, Kreditrückzahlungen vorzunehmen, dann gilt der Bürge, der die genannten Voraussetzungen nicht erfüllt, als schützenwert. Eine Bürgschaft ist auch für den Fall sittenwidrig, wenn die Unterschrift durch „Überrumpelung“ erlangt wird (BGH, Az. IX ZR 250/95). Wurde die Bürgschaftsübernahme bspw. durch die Drohung der Kreditkündigung quasi erzwungen, dann hat der Bürge gute Aussichten, die Verpflichtung nicht erfüllen zu müssen. Dafür aber sind entsprechende Beweise erforderlich.

Hat ein Ehegatte für den Geschäftsbetrieb seines Partners gebürgt, so muss die Bank ihn nach Scheitern der Ehe unter bestimmten Umständen aus der Garantie entlassen (BGH, Az. IX ZR 177/95). Dies gilt insbesondere für den Fall, dass Vermögensverschiebungen durch den Unternehmer anzunehmen sind. Scheitert eine Ehe, dann sollte der Bürge sofort die Freigabe der Bürgschaft unter Hinweis auf dieses Urteil verlangen. Denn zu einem solchen Zeitpunkt sind die Kreditinstitute eher zu einer Freigabe bereit, als wenn es später zu finanziellen Schwierigkeiten des Expartners kommt. Hat eine nicht berufstätige Ehefrau die Bürgschaft für eine hohe Darlehensverbindlichkeit ihres Ehemannes übernommen, entfällt mit dem endgültigen Scheitern regelmäßig die Geschäftsgrundlage für die Bürgschaft (§§ 242, 138 I BGB, BGH, Az. IX ZR 259/95).

Aber Achtung: Der Schuldbeitritt einer finanziell überforderten Ehefrau bei einer Umschuldung ist nicht ohne weiteres nur deshalb sittenwidrig, wenn der ursprüngliche Kredit überwiegend für die Gründung eines gemeinsamen Hausstandes und andere gemeinsame Interessen der Ehepartner verwendet wurde (BGH, Az. XI ZR 244/97). Auch findet das Verbraucherkreditgesetz auf Bürgschaften keine Anwendung. Der Bürge wird bereits durch das für den Nichtkaufmann geltende Schriftformerfordernis des § 766 BGB und den Freistellungsanspruch aus § 776 BGB ausreichend geschützt. Insbesondere wird der Bürge auch nicht Partner des Kreditvertrages wie etwa beim Schuldbeitritt.

Kreditkunden haben gegen ihr Geldinstitut einen Anspruch auf Freigabe von Sicherheiten, wenn deren Wert den der gesicherten Forderungen deutlich übersteigt. Diese Entscheidung des Bundesgerichtshofs hat für alle Unternehmer, die ihr Warenlager oder Kundenforderungen als Sicherheit an ihre Bank abgetreten haben, weitreichende Bedeutung. Die Karlsruher Richter gingen bei ihrer Entscheidung davon aus, dass eine Sicherheit in Höhe von 110 % der Forderung noch gerechtfertigt ist. Bei der Gegenüberstellung von Kredithöhe und Wert der Sicherheit ist nicht vom Nenn- oder Anschaffungswert auszugehen, sondern maßgebend ist allein der derzeit realisierbare Wert. Für dessen Bestimmung lieferte der BGH gleich eine Faustregel mit: Übersteigt der Nennwert der Sicherheiten 150 % der Forderung, ist davon auszugehen, dass der Gläubiger übersichert ist. In diesem Falle müssen Sicherheiten (teilweise) freigegeben werden (Urteil des BGH, GSZ 1/97 und 2/97).